| Opferschutzbericht

Achter Opferschutzbericht der Landesregierung vorgestellt – Justizminister Mertin: Rheinland-Pfalz steht für engagierten Opferschutz

Porträt von Justizminister Herbert Mertin
Justizminister Herbert Mertin

Justizminister Herbert Mertin stellte in der gestrigen Sitzung des Ministerrates den Achten Opferschutzbericht der Landesregierung vor.

Der fast 200 Seiten umfassende Bericht stellt eine Fortschreibung der bisherigen sieben Opferschutzberichte dar und greift im Wesentlichen die seit November 2020 eingetretenen Änderungen und Neuerungen auf.

„Auch wenn es aufgrund einzelner Aufsehen erregender Taten gerade in jüngster Zeit anders erscheint, sank die Zahl der Opfer seit 2012 um gut 6 Prozent. Wir hoffen, dass sich diese Tendenz – auch nach der Corona-Pandemie – fortsetzt. Denn jedes Opfer ist ein Opfer zu viel. Die Betroffenen, deren höchstpersönliche Rechtsgüter wie ihre körperliche Unversehrtheit, Freiheit, Ehre oder sexuelle Selbstbestimmung verletzt wurden, erleben unermessliches Leid – oft auch noch lange nach der Tat.“, erklärte Minister Mertin einleitend.

„Es gelingt leider nicht immer, Straftaten zu verhindern. Doch Rheinland-Pfalz ist im Bereich des Opferschutzes weiterhin stark engagiert. Der Achte Opferschutzbericht dokumentiert die vielfältigen und nachhaltigen Anstrengungen der Landesregierung im Bereich des Opferschutzes in all seinen Facetten. Bewährte Maßnahmen und Projekte wurden nicht nur fortgeführt, sondern auch neue Initiativen und Maßnahmen ergriffen: So wurden die Rechte und Pflichten der Opferbeauftragten oder des Opferbeauftragten der Landesregierung Rheinland-Pfalz in einem Gesetz festgelegt. Gleiches gilt für die Beauftragte für jüdisches Leben und Antisemitismusfragen in Rheinland-Pfalz. Darüber hinaus liegt dem Bundestag gegenwärtig der Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des strafrechtlichen Opferschutzes in Fällen der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener vor – ein Gesetzgebungsverfahren, das auf eine Initiative von Rheinland-Pfalz zurückzuführen ist. Auslöser war die Tötung einer Polizeianwärterin und eines Polizeikommissars vor einem Jahr in der Nähe von Kusel und die sich daran anschließende Hetze und Verunglimpfung der beiden Getöteten in den sozialen Medien. Die von uns vorgeschlagenen Regelungen wären eine echte Erleichterung sowohl für die emotional stark belasteten Angehörigen als auch die Strafverfolgungsbehörden. Den Angehörigen bliebe erspart, jeden einzelnen Hasskommentar zur Kenntnis nehmen zu müssen, um über die Strafantragstellung zu entscheiden. Ich hoffe sehr, dass der Bundesgesetzgeber die Problematik möglichst bald aufgreift“, so der Minister abschließend.

Information:

In seinem Beschluss vom 24. Mai 2007 (zu LT-Drucksache 15/1107) hat der Landtag die Landesregierung aufgefordert, einen schriftlichen Bericht darüber vorzulegen, welche Maßnahmen sie zur Verbesserung des Opferschutzes ergriffen hat bzw. zu ergreifen beabsichtigt. Nach dem Beschluss des Landtages soll der Opferschutzbericht nach seiner ersten Erstellung künftig alle zwei Jahre fortgeschrieben werden. Dem ist die Landesregierung nachgekommen und legt seit 2008 alle zwei Jahre den Opferschutzbericht vor. Der Achte Opferschutzbericht der Landesregierung ist ab sofort abrufbar unter: https://s.rlp.de/L2IIZ

Der Aufbau des Opferschutzberichts orientiert sich an den Vorgaben des Landtags.

Nach einer Einführung (Abschnitt A) werden die für die unterschiedlichen Bereiche des Opferschutzes relevanten Änderungen in der Gesetzgebung seit dem letzten Opferschutzbericht beschrieben, gefolgt von der Darstellung der Entwicklung der Opferzahlen in den vergangenen zehn Jahren sowie der Projekte und Maßnahmen der Regierung in den Bereichen des vorsorgenden und des nachsorgenden Opferschutzes.

In den zurückliegenden Jahren konnten zahlreiche Verbesserungen für die Situation von Opfern von Straftaten erreicht werden. Diese in Abschnitt B beschriebenen gesetzlichen Neuregelungen und Vorhaben veranschaulichen, dass das Thema Opferschutz weiterhin im Fokus gesetzgeberischen Handelns steht. So hat der Bundesgesetzgeber wichtige Änderungen im Bereich des Straf- und Strafprozessrechts mit ausdrücklich opferschützender Intention vorgenommen.

Mit dem Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität wurde unter anderem der Schutz von Kommunalpolitikerinnen und -politikern verbessert: Der Tatbestand der Üblen Nachrede, Verleumdung und Beleidigung von Personen des politischen Lebens wurde auf die kommunale Ebene erstreckt. Die Staatsanwaltschaft kann diese Taten auch ohne Strafantrag – aber nicht gegen den Willen der Betroffenen – verfolgen, wenn ein besonderes öffentliches Interesse besteht. Diese Gesetzesänderung geht ebenfalls auf eine rheinland-pfälzische Bundesratsinitiative zurück.

Mit dem Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder wurde der Grundtatbestand des sexuellen Missbrauchs von Kindern als Verbrechen und einem Strafrahmen von einem bis fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe ausgestaltet. Das Gesetz zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung enthält Regelungen zum stärkeren Schutz von Zeugenadressen: Sie müssen nicht zwingend in der Anklageschrift oder bei Vernehmungen in Anwesenheit des Beschuldigten genannt werden.

Die in Abschnitt C enthaltene Übersicht über die Opferentwicklung in Rheinland-Pfalz konzentriert sich auf die Opfer der bekanntgewordenen Straftaten und gibt z.B. Aufschluss darüber, ob Tatverdächtige mit dem Opfer bereits vor der Tat in einer Beziehung standen. Diese Aspekte liefern wichtige Anhaltspunkte vor allem für eine Überprüfung und Anpassung der polizeilichen Präventionskonzepte. Die Auswertungen werden bei Bedarf verfeinert und an den Stand der kriminologischen Forschung angepasst. 2021 hat die Polizei in Rheinland-Pfalz 49.638 Opfer von Straftaten registriert. Bei 3.536 bzw. 7,1 % der Opfer blieb es beim Versuch einer Straftat. Von den 49.638 Opfern waren 21.394 bzw. 43,1 % weiblich (2012: 39,8 %) und 28.244 bzw. 56,9 % männlich (2012: 60,2 %). Gegenüber 2012 sank die Zahl der Opfer um 3.377 (-6,4%), wobei die Opferzahlen nur eingeschränkt mit den Vorjahren vergleichbar sind. Die insgesamt rückläufige Opferentwicklung ist neben anderen Aspekten, insbesondere auf die vielfältigen Auswirkungen der Corona-Pandemie, beispielsweise auf den Lockdown im Frühjahr des Jahres 2020 und den zweiten Lockdown von November 2020 bis Mitte April 2021, zurückzuführen. Insgesamt zeigte sich ein Rückgang bei den Straftaten, die pandemiebedingt aufgrund von veränderten Alltagsroutinen und des eingeschränkten öffentlichen Lebens reduzierte Tatgelegenheiten aufweisen. Als Beispiele können Körperverletzungs- und Raubdelikte angeführt werden, die u.a. aufgrund eines eingeschränkten öffentlichen Lebens rückläufig gewesen sein dürften.

Abschnitt D.I gibt einen Überblick über wesentliche Präventionsaktivitäten auf Landesebene. Diese sollen dazu beitragen, dass Menschen gar nicht erst Opfer einer Straftat werden. Die Präventionsarbeit in Rheinland-Pfalz ist weiterhin sowohl thematisch als auch hinsichtlich der angesprochenen Zielgruppen breit aufgestellt. Hierbei kommt unverändert den Maßnahmen im polizeilichen und schulischen Bereich eine große Bedeutung zu. Präventionsarbeit steht dabei stets vor der Herausforderung, sich gesellschaftlichen und tatsächlichen Entwicklungen anzupassen und die entsprechenden Konzepte weiterzuentwickeln.

Der Landesregierung ist es auch in dem aktuellen Berichtszeitraum gelungen, Aktivitäten im Bereich des nachsorgenden Opferschutzes fortzuführen und den aktuellen Gegebenheiten anzupassen (vgl. Abschnitt D.II). Gerade bei den in den letzten Opferschutzberichten erstmals aufgenommenen Institutionen standen die Themen Weiterentwicklung und Etablierung im Vordergrund:

Hier ist besonders hervorzuheben, dass der Landtag Rheinland-Pfalz am 25. Januar 2023 einstimmig das Landesgesetz über die Opferbeauftragte oder den Opferbeauftragten der Landesregierung Rheinland-Pfalz – Opferbeauftragtengesetz – beschlossen hat. Darin werden die Rechte und Pflichten des im August 2018 ernannten Opferbeauftragten der Landesregierung Rheinland-Pfalz ausdrücklich gesetzlich festgelegt. Dieser Prozess konnte für die Beauftragte für jüdisches Leben und Antisemitismusfragen in Rheinland-Pfalz durch die Schaffung eines seit dem 1. Juni 2022 geltenden Antisemitismusbeauftragtengesetzes bereits erfolgreich abgeschlossen werden.

Auch die Etablierung der psychosozialen Prozessbegleitung in der gerichtlichen Praxis ist weiter vorangeschritten: In den knapp sechs Jahren seit Inkrafttreten des gesetzlichen Anspruchs auf psychosoziale Prozessbegleitung haben sich die Beiordnungszahlen in Rheinland-Pfalz fast verdoppelt, wenngleich es in den beiden letzten Jahren – wohl auch aufgrund der Covid-19-Pandemie – zu leichten Rückgängen gekommen ist. In Rheinland-Pfalz sind gegenwärtig insgesamt 25 Personen als psychosoziale Prozessbegleiterinnen und Prozessbegleiter anerkannt.

Sowohl im Bereich der Prävention als auch bei der Unterstützung von Opfern kommt Kooperationskonzepten eine große Bedeutung zu (vgl. Abschnitt D.III). Aus diesem Grund wurden die bestehenden Konzepte weitergeführt und intensiviert. Hierzu gehört insbesondere das Rheinland-Pfälzische Interventionsprojekt RIGG gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen sowie die Zusammenarbeit mit dem WEISSEN RING e.V. Die landesweiten Konzepte werden durch die Vernetzung der für den Opferschutz verantwortlichen Stellen auf regionaler Ebene flankiert.

Teilen

Zurück