Kooperationskonzept zum Schutz der Opfer von Menschenhandel
Die Entscheidung über den Antrag steht einem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen Urteil gleich (§ 406 Abs. 3 S. 1 StPO). Die Opfer von Menschenhandel sind häufig stark traumatisiert und bedürfen aufgrund persönlicher Zwangslagen oder sprachlicher Barrieren oftmals in besonderer Weise Hilfe und Unterstützung. Dies gilt sowohl für die Opfer von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung als auch zum Zweck der Ausnutzung der Arbeitskraft. Andererseits halten sie sich nicht selten illegal und ausreisepflichtig in der Bundesrepublik auf. Eine Abschiebung in ihr Heimatland birgt jedoch häufig die Gefahr, dass die Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution erneut geschädigt werden. Außerdem besteht die Gefahr, dass es den Strafverfolgungsbehörden bei der Bekämpfung von Menschenhandelsdelikten ohne die Angaben der Opferzeuginnen und -zeugen nicht möglich ist, die Hinterleute und Drahtzieher zu überführen. Im Falle der Abschiebung der Opfer ist die Einführung ihrer Erkenntnisse im Strafverfahren schwierig: Oft ist der Aufenthalt der Betroffenen im Ausland unbekannt; viele der Opfer fürchten sich aus Angst vor Repressalien vor einer Aussage vor Gericht. Auch bei einem Verbleib im Bundesgebiet stellt sich regelmäßig das Problem, dass sie im Falle einer Aussage zwar Repressalien für sich oder Angehörige befürchten, die Voraussetzungen für die Aufnahme in ein Zeugenschutzprogramm allerdings nicht gegeben sind.
Auf diese Problematik hat Rheinland-Pfalz mit der Erstellung des "Kooperationskonzepts "Schutz und Hilfen für Opfer von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und zur Ausbeutung der Arbeitskraft" reagiert. An dem Zustandekommen der Kooperationsvereinbarung haben die fachlich tangierten Ministerien, die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände und SOLWODI e.V. mit einem maßgeblichen Anteil mitgewirkt.
Kernpunkt des am 01.01.2004 in Kraft getretenen Kooperationskonzepts ist die Möglichkeit, Opferzeugen und Opferzeuginnen unter bestimmten Voraussetzungen bei Sicherung ihres Lebensunterhalts anonym und geschützt unterzubringen und psychosozial zu betreuen.
Finanziert werden die im Rahmen des Konzepts durchgeführten Maßnahmen aus einem beim Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration eingerichteten Sozialfonds "Schutz und Hilfen für Opfer von Menschenhandel", der den Kommunen die Ausgaben zur Gewährung von Sozialleistungen erstattet, sofern nicht andere Träger (z.B. die örtlich zuständigen Jugendämter bei Minderjährigen und Heranwachsenden im Falle des Hilfsbedarfs nach SGB VIII) zur Tragung der Kosten verpflichtet sind.
Das Konzept wurde im Jahr 2008 und zuletzt im Jahr 2015 überarbeitet. Für eine Unterstützung genügt es nach der aktuellen Fassung des Konzepts (Stand: August 2015) im Wesentlichen, dass konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Person Opfer von Menschenhandel geworden ist, eine Gefährdung der Person im In- oder Herkunftsland nicht auszuschließen ist, die vorübergehende Anwesenheit des Opfers im Bundesgebiet sachgerecht ist, weil die Erforschung des Sachverhalts ohne seine Angaben erschwert wäre und eine Aussage im Rahmen der Strafverfolgung durch das Opfer nicht grundsätzlich ausgeschlossen wird.